Es ist kein Geheimnis, dass mein Vater eine Schlüsselrolle in meinem Leben und in meiner Therapie spielt. Ich würde sagen, dass ich in der Kindheit den besten Papa der Welt hatte. Wir haben Rock’n Roll getanzt, ich auf seinen Füßen stehend, und weil er so RIESIG war, konnte er mich wahnsinnig hochwirbeln. Im Jaguar-Express (Berg- und Talbahn) auf der Kirmes saß er tapfer außen und hat meinen Bruder und mich aufgefangen, wenn wir uns nicht mehr festhalten konnten. Er hat das tollste Himmelbett und danach das tollste Hochbett ever gebaut.
Aber dann verpassten er und ich irgendwie den Zeitpunkt, wo die Beziehung von Kind in Jugendliche wechselte und alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass ich ab da nur noch Mitleid empfand oder genervt war von seiner Anwesenheit. Tatsächlich war ich erleichtert als er auszog. Für uns „Kinder“ lautete die Erklärung, dass er meine Oma pflegen würde, also nichts von Trennung der Eltern – zumindest für mich nicht. Ob mein Bruder wusste, was abging? Ich glaube schon. Wir sprachen nicht darüber. Nie.
Im letzten Gespräch mit meiner Mutter (bin noch am Verarbeiten) kamen wieder Dinge heraus, die hilfreich gewesen wären, wenn ich die vor 25 Jahren erfahren hätte. Ich habe ein Bild von meinem Vater gezeichnet, weil ich keine weiteren Informationen bekam. Hätte ich Fragen können? Vielleicht. Getraut hätte ich es mich aber niemals. So war die Stimmung damals nicht.
Es wäre mir relativ egal, was für ein Bild ich von meinem Vater habe, wenn es nicht mein gesamtes Männerbild geprägt hat und damit auch die Entscheidungen, die ich in dieser Hinsicht getroffen habe.
Ich dachte, er sei fremdgegangen. Ich habe, bis auf wenige Ausnahmen, nur Beziehungen mit Fremdgehern gehabt. Mit Männern, die es als ihr Recht ansehen, sich zu nehmen, was sie brauchen – ohne Rücksicht auf Verluste.
Wie wäre das wohl gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass meine Mutter sich vorher schon getrennt hatte? Dass nicht mein Vater sondern meine Mutter die endgültige Entscheidung getroffen hat?
Ich dachte immer, dass mein Vater sich nicht für uns interessiert hat, weil wir ihn selten gesehen haben, nie das klassische Scheidungskind-Wochenende oder sowas erlebt haben. Und auch finanziell, dachte ich, hat er meine Mutter im Stich gelassen. Heute weiss ich – dem war nicht so.
Warum meine Mutter mich all die Jahre in dem Glauben gelassen hat? Soweit bin ich in der Therapie nicht, vielleicht komme ich da eines Tages dahinter.
Ich trauere ein wenig, auch wenn ich weiß, dass ich nicht weiß, ob es andersrum besser gewesen wäre.
Aber ich würde mir schon wünschen, dass ich ein besseres Männerbild ab Alter 14 Jahre gehabt hätte. Jetzt habe ich oft das Gefühl, dass es einfach zu spät ist.
Vielleicht trifft es mich deshalb doppelt, wenn Väter/Erzeuger ihre Beziehung zu ihren Kindern nicht wertschätzen und pflegen.
Ich wünsche allen Vätern (und deren Kindern), dass sie die tollen Heldenpapas sein können und bleiben können. Denn das ist gar nicht so schwierig. 🙂
(nachträglich – Happy Erzeugerday)