2 Jahre her, dieser Eintrag, der nicht veröffentlich wurde, weil ein „Beteiligter“ Leser war. Nicht bearbeitet.
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„Du ruhst Dich auf Deiner Krankheit aus“
„Du musst…“
„Nur Du kannst … “
„Du solltest… “
„Mach doch mal…“
Ein Auszug an Ratschlägen, Vorwürfen, externer Einschätzung meines Verhaltens …
Sie treffen mich und lähmen mich.
Warum?
Weil es keine Pause gibt und kein Ausruhen. Es gibt kein „müssen“, schon gar kein „können“ – „Doch, Du KANNST …“ – impliziert: Du willst nur nicht.
Wenn es so einfach wäre.
Jedem, der sowas auch nur annähernd denkt, wünsche ich mittlerweile eine Woche in meinen Schuhen. Wirklich. Aus tiefstem Herzen und trotz Karma-Minus-Punkten.
Ich werde regelrecht wütend, weil es nicht nur demotivierend ist, so etwas zu hören. Sondern es meine Leistung nicht anerkennt. Weil es beleidigt. Erniedrigt. Verletzt. Lähmt – sagte ich das schon?
Der Standard-Satz zwischen meinen Besties und mir? „Der/Die sollte auch mal in Therapie“.
Könnte ich das entscheiden, wären tatsächlich mehr Menschen in Therapie und würden das Reflektieren lernen und vor allem das „An sich arbeiten“ – und dann unterhalten wir uns nochmal darüber, ob ich mich auf meiner Depression ausruhe, ob ich sie vorschiebe und als Entschuldigung für alles verwende und ob ich Pause mache.
Seriously?
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Mein Fehler.
Ich habe falsch gedacht. Ich dachte, es wird einfacher, wenn ich erkläre … wenn ich sage, wie Dinge für mich sind … was ich mir wünsche… was ich brauche … was mir helfen würde.
An sich nicht falsch – Falsch dabei ist die Erwartung, dass andere das hören, verstehen und umsetzen.
Der größte Denkfehler? Würde mir jemand, der mir wichtig ist, sowas sagen? Ich würde mich daran halten. Ich würde versuchen, die Dinge zu machen, die helfen. Die Dinge vermeiden, die schlecht sind. Würde nachfragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Würde fragen: Was brauchst Du von mir, damit es für Dich einfacher wird.
Ich bin nicht wie andere, andere sind nicht wie ich. Punkt.
Denk- und Verhaltensfehler erkannt. Versuche mich zu ändern. Versuche Entscheidungen für mich zu treffen – Eiere dabei trotzdem über das Glatteis – weil ich weiss, dass diese Entscheidungen für andere drohend wirken, wie ein Ultimatum, eine übertrieben Trotzreaktion. Ja, geht man von der „normalen“ Basis aus, wirkt es übertrieben – vielleicht trotzig. Ich erkläre nichts mehr. Es bringt niemanden weiter. Menschen um mich rum nicht, mich auch nicht. Wenn ich nichts erkläre, kann ich wenigstens nicht enttäuscht werden, dass es nichts ändert. Es ist einfacher zu sagen: „Ich hätte vielleicht was sagen müssen“ als „Ich habe Dir das doch gesagt“. Ich kann keine Vorwürfe machen, wenn ich die Fehler mache. Also mache ich bewusst den Fehler und behalte mich für mich.
Man wünscht sich weniger Unruhe von mir, weniger Emotionalität, weniger Auf- und Ab. Weniger harte Aussagen in schlechten Zeiten. Mehr und schnellere Veränderung. Oder man wünscht sich, dass ich wieder so bin wie früher, da war alles einfacher. Man wünscht sich von mir, dass ich mit dem Sturkopf aufhöre und weniger Trotzig bin, nicht so kompliziert. Dass ich mal was Neues zu berichten habe. Dass auf die Frage „wie geht es Dir“ nur noch die Standard-Antwort kommt „Gut, Danke und Dir“.
Ich habe verstanden.
Wo habe ich meine Masken hingelegt? Die müssen noch irgendwie hier rumliegen. Passen noch.
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Ich fahre mitten in der Nacht los, um Freunden in der Not zu helfen.
Umgekehrt? Fährt niemand los. Nicht mal, wenn ich mich überwinde und um Hilfe bitte.
Ich lege meine Termine um, damit ich Zeit mit lieben Menschen verbringen kann. Weil ich dachte, dass es auf Gegenseitigkeit beruht.
Umgekehrt? Legt keiner seine Termine um oder versucht „Quality Time“ zu schaffen. 3, 5, 8 Wochen nicht sehen? Passiert. Es folgt keine Nachfrage, keine Alternativen… Friss oder stirb. Finden Termine statt, sind auf einmal mehr Menschen da als Angekündigt. Telefonate, wenn sie denn stattfinden, finden immer „on the run“ statt. Dazwischengeschoben.
Ich mache die Situationen nicht kompliziert, mich kann man jederzeit auf verschiedenstem Wege erreichen. Die Situationen der Menschen um mich rum sind kompliziert. Ich passe mich dem an.
Umgekehrt? Passiert sowas nicht, nicht mal in Ausnahmesituationen. Weil mittlerweile jede Situation mit mir eine Ausnahmesituation zu sein scheint.
Ich gehe immer wieder den ersten Schritt, auch wenn mir nicht danach ist – zum Einen, weil ich es kann – zum Anderen, weil ich mit einem einprogrammierten schlechten Gewissen rumlaufe. Mit der Muttermilch aufgesogen – im Zweifel bin ich schuld, auch wenn ich nichts gemacht habe – ich bin schuld. Also muss ich es auch wieder hinbiegen. Egal, ob ich mich danach fühle oder nicht.
Umgekehrt? Sind wir in Woche 5 des Schweigens. Geht keiner den ersten Schritt.
Fazit: So sehr ich daran arbeite, dass ich andere akzeptiere, die umgekehrte Akzeptanz findet nicht statt oder anders ausgedrückt – ich merke sie nicht. Weil Menschen nicht mehr verbalisieren. Sie tun etwas und wollen damit etwas ausdrücken. Nur wie soll ich das verstehen? Wie soll ich das deuten? Es findet ein Ratespiel statt, die Arbeit der Interpretation liegt zu 100% bei mir. Warum? Sag‘ doch einfach, was es bedeuten soll? Sprich‘ mal ein Lob aus, Sag‘ einfach mal „Ey, das tut mir jetzt echt voll leid, aber es geht leider nicht anders, ich bin da selbst voll traurig drüber“, beim nächsten Wiedersehen reicht ein „Hey, ich hab‘ Dich voll vermisst?“ … Was spricht gegen ein „ich hoffe, es ist alles okay bei Dir und Dir gehts gut“ – muss ja nicht mal mit Fragezeichen sein. Es gibt so viele Dinge, die man sagen kann. Ein „Tun“ ist eben nicht immer sichtbar – vielleicht erkläre ich deswegen permanent mein Handeln, um es Unmissverständlich zu machen?
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Wie oft habe ich die letzten Tage gedacht und getestet: Wie lange dauert es, bis mich jemand vermisst? Wer würde als Erstes merken, dass ich nicht mehr da bin? Wen würde es interessieren? Wen treffen? Erschreckenderweise würde ich tatsächlich nicht vermisst werden. Erstmal. Sollte ich jemals in meiner Wohnung stürzen, es käme niemand zur Hilfe. Ich muss locker 48 warten, bis jemand auffällt, dass ich nicht da bin, wo ich sein soll. Denn selbst, wenn ich Termine bei Physio oder meiner Therapeutin nicht einhalten würde? Es würde mindestens 1-2 Termine dauern, bis sie meine Mutter alarmieren würden. Meine Arbeitskollegen? 2-3 Tage, bevor sie meine Mutter alarmieren würden. Meine Freunde? Manche von denen wüssten nicht mal, wen sie anrufen sollten, um herauszufinden, ob ich noch lebe.
Ich bin nicht suizidgefährdet, ich mag das Leben viel zu sehr. Aber manchmal wünschte ich, ich könnte eine Pause machen, könnte mich ausruhen. Könnte all das machen, was andere mir vorwerfen.
Was ist keine Frage des Wollens, es ist eine Frage des Noch-Nicht-Könnens.
Ich bin mir sicher, dass es Techniken und Tricks gibt, die mir helfen. Ich bin mir sicher, dass ich lernen werde, mit Situationen und mit mir